Die ersten 1000 Tage: Ernährung in der Schwangerschaft und in den ersten zwei Lebensjahren
Am 7. September fand am Inselspital Bern die nationale Fachtagung der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE zum Thema ''Die ersten 1000 Tage' - Ernährung in der Schwangerschaft und in den ersten zwei Lebensjahren'' statt.
Vor vollen Rängen erläuterten und diskutierten Experten aus verschiedenen Fachgebieten über die Wichtigkeit der Ernährung während der Schwangerschaft, von Säuglingen und Kleinkindern sowie die kritischen Punkte der Entwicklung. Die Tagung wurde in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit BAG und dem Schweizerischen Verband der dipl. Ernährungsberater/innen HF/FH SVDE durchgeführt.
Vor der offiziellen Eröffnung der Fachtagung fand ein Symposium zum Thema „Süssstoffe: Stevia und andere“ statt. Frau Dr. rer. nat. Ursula Wölwer-Rieck, die sich der Bioanalytik im Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften an der Universität Bonn widmet, hat die wichtigsten Punkte zum Thema praxisnah aufgegriffen. Die Teilnehmer konnten als dann verschiedene Vorträge zu folgenden Themen verfolgen:
Metabolische Programmierung durch die perinatale Zufuhr essenzieller mehrfach ungesättigter Fettsäuren
Zum Auftakt der Fachtagung erklärte Professor Gerard Hornstra von der Universität Maastricht und NUTRI-SEARCH in Gronsveld, Niederlande, die Wichtigkeit der möglichen Bedeutung essenzieller Fettsäuren für die Programmierung der menschlichen Entwicklung. Inzwischen wird weithin akzeptiert, dass eine unzulängliche Ernährung in entscheidenden Phasen des vorgeburtlichen Lebens sozusagen Ereignisse „vorprogrammieren“ kann, die den späteren Gesundheitszustand beeinflussen. Die essenziellen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren (ePUFA) erfüllen lebenswichtige Funktionen im menschlichen Körper. Diese Fettsäuren können nicht oder kaum vom Menschen hergestellt werden, daher ist eine ausreichende Zufuhr über die Nahrung von hoher Bedeutung.
Ernährung in der Schwangerschaft
Prof. Irene Hösli-Krais von der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel zeigte auf, inwieweit die Ernährung in der Schwangerschaft mit dem Schwangerschaftsverlauf und dem «fetal outcome» assoziiert ist. Drei Faktoren spielen im Zusammenhang mit der Ernährung eine Rolle: Das Gewicht der Frau vor der Schwangerschaft und die Gewichtszunahme in der Schwangerschaft, die Zusammensetzung der Ernährung und die Plazenta.
State of the art: Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern Prof. Christian Peter Braegger, Leiter der Abteilung Gastroenterologie und Ernährung des Kinderspitals Zürich, bekräftigte, dass Muttermilch die natürliche Nahrung für Säuglinge ist.
Die Ernährungskommission der ESPGHAN (European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition) empfiehlt, Säuglinge vier bis sechs Monate ausschliesslich zu stillen und anschliessend während der Einführung der Beikost weiter zu stillen. Die Empfehlungen gründen auf vielen gut dokumentierten Gesundheitsvorteilen des Stillens. Diese umfassen einen Schutz vor Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, der Lungen und vor Hals-Nasen-Ohren-Infektionen (z.B. Mittelohrentzündungen). Zudem sind bei gestillten im Vergleich zu nicht-gestillten Kindern Langzeiteffekte nachgewiesen worden. Dazu gehören u.a. positive Effekte auf kognitive Entwicklung, Körpergewicht, Blutdruck und Allergieprävention.
Kritische Punkte in der Entwicklung
Dr. Josée Despars, Doktorin der Psychologie, tätig in der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie (SUPEA), Liaison-Kinderpsychiatrie, im Waadtländisches Universitätsklinikum (CHUV) in Lausanne, ging der Frage nach, wieso die Schwangerschaft und anschliessend die ersten Lebensjahre eines Kindes eine dynamische und gefühlsbetonte Periode ist, welche psychische Neugestaltungen begünstigt. Ganz allgemein möchten Eltern ihrem Kind das Beste für eine harmonische Entwicklung bei guter Gesundheit und den eigenen kulturellen Werten vermitteln.
Essen ist ein lebenswichtiger, täglicher Akt, der aber über die Notwendigkeit der Deckung primärer Bedürfnisse hinaus ein sinnbehafteter, kultureller, sozialer und psychologischer Akt ist. In soziologischer und psychologischer Hinsicht bedeutet die Tatsache, Nahrung anzunehmen auch, den anderen zu akzeptieren und zu akzeptieren, Bindungen zu knüpfen. Die Ernährung stellt somit eine Achse dar, rund um welche Bindungen entstehen. Eine Bindung, bei der die Merkmale des Kindes und die der Eltern den Bereich der Ernährung und die Entwicklung der Eltern-Kind-Beziehung modulieren und beeinflussen werden.
Neben den Referaten im Plenum hatten die Teilnehmer die Gelegenheit, sich in verschiedenen Workshops weiterzubilden. Verschiedene Ateliers wurden mit folgenden Themen angeboten: die kritischen Phasen der Entwicklung, die Supplementierung in der Schwangerschaft sowie Präventionsprojekte im Kleinkinderbereich.
Die Fachtagung schloss mit einem Vortrag von Professor Luc Marlier vom Laboratoire d’Imagerie et de Neurosciences Cognitives LINC in Strassburg über die pränatale sensorische Prägung und die Entwicklung von Geschmack bei Kleinkindern.
06.09.2012