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Unter generalisierten Ödemen versteht man Spannungsgefühle des gesamten Körpers bei Frauen ohne eindeutig sichtbare Flüssigkeitsansammlungen. Sie werden auch als ''idiopathisches Ödem'' oder ''zyklisch-idiopathisches Ödem'' bezeichnet. Von ''idiopathisch'' spricht man in der Medizin, wenn die Ursache einer Krankheit (hier das Ödem) letztlich nicht bekannt ist und noch erforscht werden muss.

Das Wort ''zyklisch'' beschreibt dabei den Wechsel zwischen symptomfreien und symptomatischen Perioden, die in einer regelmässigen oder unregelmässigen Form ablaufen können. Die regelmässige Form stellt das Leitsymptom des prämenstruellen Syndroms dar. Die Symptome sind in der zweiten Hälfte des Menstruationszyklus präsent, die erste Phase ist symptomfrei. Die unregelmässige Form zeigt ebenfalls einen wellenförmigen Verlauf, der aber nicht eng an den Menstruationszyklus gebunden ist. Bei manchen Patientinnen wechseln sich ödemfreie und ödematöse Phasen ab, bei anderen wiederum findet sich lediglich ein wechselnder Grad der Beschwerden, Symptomfreiheit tritt nicht mehr auf.
Das Krankheitsbild beruht auf einer regelmässig (zyklisch) oder unregelmässig erhöhten Durchlässigkeit der kleinsten Blutgefässe (Kapillaren) und Lymphsammelgefässe gegenüber Wasser und grösseren Eiweisskörpern. Diese lagern sich im Zwischenzellraum (Interstitium) ab und rufen das charakteristische Spannungsgefühl hervor. Im Unterschied zum Lymphödem entwickelt sich jedoch kein bindegewebiger Umbau (Fibrose), da die Eiweisse relativ rasch über das gesunde Lymphgefässsystem abtransportiert werden.

Die Kapillardurchlässigkeit ist auch bei gesunden Frauen grundsätzlich höher als bei Männern. Verantwortlich hierfür sind unter anderem die weiblichen Sexualhormone. Östrogene bewirken eine Wasseraufnahme und Salzaufnahme und schwächen die Lymphgefässfunktion. Man vermutet, dass bei Patientinnen mit einem idiopathischen Ödem unter anderem das Zusammenspiel der verschiedenen Geschlechtshormone  gestört ist. Auch andere Hormonsysteme scheinen beteiligt zu sein. So wurde über einen Zusammenhang mit einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) berichtet. Letztendlich ist die genaue Ursache dieser Erkrankung aber bis heute nicht bekannt.

Das idiopathische Ödem tritt frühestens in der Pubertät auf. In den meisten Fällen findet man es zwischen dem 40. und dem 60. Lebensjahr.

Hauptsymptom ist ein dauerhaft bestehendes Spannungsgefühl infolge Schwellneigung des gesamten Körpers. Charakteristisch ist dabei eine im Tagesverlauf wechselnde Lokalisation. Während die Betroffenen am Morgen über Schwellungen und Spannungsgefühle des Gesichts, der Brüste und manchmal auch der Arme und Hände klagen, verschiebt sich die Symptomatik während des Tages, entsprechend der Schwerkraft, in die untere Körperhälfte.

Charakteristisch ist ferner eine deutliche Diskrepanz zwischen der angegebenen Beschwerdesymptomatik und der objektiv bestehenden Schwellung, die in der Regel so gering ist, das sie nicht oder kaum sichtbar und tastbar ist. Gelegentlich findet man am Abend minimale Dellenbildungen im Bereich der Schienbeinkante. Das Körpergewicht nimmt meist im Laufe des Tages um mehr als 1,5 kg zu, verbunden mit einer auffällig verminderten Urinproduktion. Es können auch starke Gewichtsschwankungen von mehreren Kilogramm innerhalb weniger Tage ohne erkennbaren Grund auftreten.

Während der Nachtruhe und beim Schwimmen in kaltem Wasser müssen die Betroffenen dann häufig auf die Toilette. Verstärkt werden die Beschwerden durch Stress, Wärme, stehende Tätigkeit und Hitzewallungen in den Wechseljahren.

Weitere mögliche Symptome sind Erschöpfbarkeit, verminderte Leistungsfähigkeit, verstärktes Schlafbedürfnis, Konzentrationsschwäche, Schwindel, verschlechtertes Hören, Kopfdruck, Augendruck, Augentränen, Luftnot bei Belastung, Verstopfung und erniedrigter Blutdruck bis zum Kollaps. Oft besteht ein erheblicher psychischer Leidensdruck, verstärkt durch die Tatsache, dass die Patientinnen sowohl von ihren Mitmenschen, als auch von behandelnden Ärzten in ihrem Leiden nicht ernst genommen werden.
Die Diagnose zu generalisierten Ödemen wird in der Regel aufgrund der Angaben der Patientin (Anamnese), der klinische Untersuchung und nach Ausschluss anderer Ursachen gestellt. Erforderlich sind hierzu häufig Hormonanalysen (z. B. Geschlechtshormone, Schilddrüsenhormone), aber auch die Abklärung von möglichen Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Hilfreich ist das Führen eines Gewichtstagebuches mit Bestimmung des Köpergewichtes am Morgen und Abend, jeweils unbekleidet nach Blasenentleerung und unter Verwendung der gleichen Waage.

Darüber hinausgehende Untersuchungen sind aufwendig bzw. sehr belastend für die Betroffenen und werden daher nur selten eingesetzt. So kann mit der Kapillarszintigraphie, einem strahlenmedizinischen Verfahren, der vermehrte Durchtritt von Eiweisskörpern durch die Gefässwand nachgewiesen werden. Der Wasserbelastungstest (Streeten-Probe) kann die verstärkte Wassereinlagerung durch eine verminderte Urinproduktion im Stehen dokumentieren.
Das Behandlungsverfahren der Wahl ist die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE), bestehend aus Manueller Lymphdrainage (MLD) und Tragen einer Kompressionsbestrumpfung. Die Patientin sollte in der Eigenbehandlung mit der MLD unterwiesen werden, damit sie die morgendlichen Schwellungen der oberen Körperhälfte behandeln kann. Eine überwiegend stehende Tätigkeit ist nach Möglichkeit zu vermeiden. Schwimmen in kaltem Wasser und kaltes Duschen wirken sich günstig aus. Konnte ein Hormonmangel nachgewiesen werden, sollte man diesen ausgleichen.

Eine die Ursache behebende Therapiemöglichkeit besteht nicht. Verschiedene Medikamente wurden ohne erkennbaren Erfolg eingesetzt. Wassertabletten (Diuretika) sollten nicht zur Anwendung kommen, da sie längerfristig zu einer Eiweisskonzentration im Zwischenzellraum und, über hormonelle Antworten, sogar zu einer Verschlechterung des Ödems führen können. Auch Abführmittel (Laxantien) sind nicht geeignet.

Zumeist handelt es sich beim Generalisierten Ödem um ein lästiges, aber nicht bedrohliches Krankheitsbild. Die beim Lymphödem gefürchteten Bindegewebsvermehrungen treten nicht auf. Liegt allerdings eine angeborene, bisher symptomlose Lymphgefässschädigung vor, so kann sich mit der Zeit durch die vermehrte Belastung der Lymphgefässe ein Lymphödem entwickeln. Daher sollte bei gleichzeitigem Vorliegen eines Krampfaderleidens auf das Ziehen von Krampfadern (Varizen) nach Möglichkeit verzichtet oder zuvor eine Funktionsstörung der Lymphgefässe ausgeschlossen werden.

Die dauerhafte, gegebenenfalls auch missbräuchliche Anwendung von Wassertabletten oder Abführmitteln kann zu hormonellen Störungen und zu Gewebeverhärtungen führen.

Extrem selten ist das sogenannte ''capillary leak syndrome'', welches meistens zu schweren Schockzuständen und zum Tode führt. Es ist auf eine massive Durchlässigkeit der kleinsten Blutgefässe zurückzuführen.

Gegen das Generalisierte Ödem sind keine Präventionsmassnahmen bekannt. Geeignet sind das Tragen einer Kompressionsstrumpfhose sowie des Vermeiden langen Stehens.

Dr. med. Fritz Grossenbacher

Fritz Grossenbacher hat in Bern Medizin studiert. Er besitzt einen Master of Medical Education der Universitäten Bern und Chicago und ein Zertifikat in Teaching Evidence based Medicine des UK Cochrane Center in Oxford.

Doris Zumbühl

Doris Zumbühl ist diplomierte Medizinische Praxisassistentin. Sie verfügt über mehrere Weiterbildungen in den Bereichen Journalismus, IT und Bildbearbeitung.
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