Mit Lichttherapie gegen die Winterdepression
In der Schweiz leiden rund 10% der Bevölkerung an leichten bis mittelschweren Symptomen der saisonalen Depression (SAD) - auch Winterblues genannt. Wenn auch wissenschaftlich nicht belegt, kommt der Lichttherapie in der Behandlung der SAD eine grosse Bedeutung zu.
Es wird davon ausgegangen, dass genetisch bedingte Abweichungen im Serotoninstoffwechsel und im Ausschüttungsrhythmus des „Schlafhormons“ Melatonin für SAD verantwortlich sind. Bei Personen mit SAD steigt der Melatonin-Spiegel im Tagesrhythmus später an als üblich. Etwa 3000 Lux sind nötig, um die nächtliche Melatoninausschüttung um ca. 70% zu senken. Im Winter bringt die Sonne ca. 20'000 Lux, bei bedecktem Himmel aber lediglich ca. 3500 Lux. Zum Vergleich: Ein strahlender Sommertag bringt es auf gut 100'000 Lux.
Im Durchschnitt erkranken die Menschen ca. im 27. Lebensjahr erstmals an einer saisonalen Depression. Kinder können aber durchaus auch betroffen sein, wobei Knaben und Mädchen gleichermassen erkranken können. Im Erwachsenenalter sind Frauen im gebärfähigen Alter etwa viermal häufiger betroffen als Männer; nach den Wechseljahren gibt es keinen Geschlechterunterschied mehr.
Verlauf einer saisonalen Depression
In der Regel dauern die Beschwerden ca. vier Monate. 60% der erstmalig Betroffenen müssen in den kommenden Jahren mit einer Wiederholung rechnen; bei etwa 20% verschwindet die SAD nach einigen Jahren völlig. Einige SAD-Patienten erleiden nach Abklingen der SAD im Frühling anstelle einer Besserung eine manische oder hypomanische Episode.
Folgende Kriterien werden einer SAD zugeordnet:
- regelmässiges Auftreten von depressiven Phasen im Herbst oder Winter
- vollständiges Verschwinden der Beschwerden im Frühling oder Übergang in eine manische oder hypomanische Episode
- mindestens zwei schwere depressive Episoden in zwei aufeinander folgenden Herbst-Winterjahreszeiten
- in der gesamten Lebenszeit häufiger saisonale depressive Phasen als nicht saisonale depressive Verstimmungen
Lichttherapie bei SAD
Mit so genannten Leuchtboxen, die UV-gefiltertes Tageslicht mit vordefinierter Intensität abgeben, werden Betroffene bestrahlt.
Durchschnittliche Lichtexposition bei SAD:
- Lichtintensität: 2500 bis 10'000 Lux
- Expositionsdauer: 30-60 Minuten
- Wellenlänge des Lichts: UV gefiltert
Wirksamkeit in Abhängigkeit von der Tageszeit der Behandlung
Je früher am Morgen die Bestrahlung erfolgt, desto besser ist der Behandlungserfolg.
Der genaue Wirkmechanismus der Lichttherapie ist nach wie vor ungeklärt. Auch der Wirksamkeitsnachweis ist schwierig. Man weiss zum Beispiel nicht, wie hoch die erforderliche Minimaldosis Lux ist. Plazebokontrollen sind zudem äussersts schwierig.
Einige Studienergebnisse zur Lichttherapie bei SAD
Im Folgenden einige kurz zusammengefasste Studienergebnisse zur Lichttherapie.
3'000 Lux pro Tag während 7-42 Tagen bei insgesamt 360 Patienten ergaben konstant positive Ergebnisse.
Eine Studienanalyse mit 5 Studien an 133 Patienten zeigte eine mittel bis hohe Reduktion der Symptome unter der Therapie mit Dämmerungssimulatoren (allmählich ansteigende Lichtexposition über eineinhalb bis zweieinhalb Stunden von 0 bis ca. 300 Lux).
In 5 Studien mit Stirnbandschirmen führte die Lichtexposition zu ähnlichen Ergebnissen, egal wie hoch die Luxzahl war (am höchsten unter 7'500 und am niedrigsten unter 100 Lux).
20 Lichttherapiestudien wurden vom britischen National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) zur Aktualisierung der Richtlinien zur Behandlung von Depressionen unter die Lupe genommen:
Die Patienten erhielten Lichttherapien mit Luxwerten zwischen 170 und15’00 Lux täglich. Verglichen wurden sie mit unterschiedlichen Kontrollgruppen: keine Therapie, Plazebo (scheinbare Lichtboxen) oder aktive Alternativbehandlungen wie Verhaltenstherapie, Antidepressivum.
Verglichen mit den Teilnehmern auf der Warteliste profitierten jene mit hoch dosierten Luxwerten genau so wie jene, welche mit Plazebo oder Alternativbehandlungen therapiert wurden. SAD-Studien mit einem direkten Vergleich zwischen Antidepressiva und Lichttherapie fehlen.
Nebenwirkungen der Lichttherapie
Nebenwirkungen treten relativ selten auf und wenn, dann gehen sie mit der Zeit oder mit der Reduktion der Luxdosis zurück. Auftreten können Sehstörungen, Kopfschmerzen, Unruhe, Übelkeit, Schwitzen, Müdigkeit oder auch leichte hypomanische Zustände.
Studien zur Therapie mit Anitdepressiva bei saisonaler Depression
Grosse Studien fehlen hier gänzlich. Bei einer 5 wöchigen Studie an 68 Personen ging es den Teilnehmern unter einem SSRI (Fluoxetin) deutlich besser als unter Plazebo. In einer anderen Studie mit einem anderen Antidepressivum (Sertralin) bei 187 Personen profitierten die Teilnehmer ebenfalls mehr vom Antidepressivum als vom Plazebo.
Studien zu anderen alternativen Therapieformen wie Verhaltenstherapie, Bewegung, Sport oder Vitamin D gibt es nur mit kleinen Patientenzahlen: Hier waren die Ergebnisse verglichen mit Plazebo oder Nullbehandlung mehr oder weniger ausgeprägt positiv.
Lichttherapie: Empfehlungen
In der Schweiz hat sich die Lichttherapie bei der saisonalen Depression etabliert und wird auch von der Krankenkasse übernommen. Dieselben Empfehlungen werden in Kanada und Amerika von fachpsychiatrischen Gesellschaften abgegeben.
In Grossbritannien weist die British Association for Psychopharmacology darauf hin, dass Antidepressiva für jede mittelschwere bis schwere Depression die erste Wahl seien. Aber die erste Therapiewahl bei saisonaler Depression ist auch gemäss dieser Expertenvereinigung die Lichttherapie.
Gemäss den NICE Richtlinien sollten SAD-Patienten in erster Linie wie Patienten mit anderen Depressionen behandelt werden: Bei leichten bis mittelschweren Beschwerden mit einem Antidepressivum oder mit Verhaltenstherapie, bei schweren Fällen mit beidem. Sie sprechen sich aber nicht gegen die Lichttherapie aus; die Patienten müssten aber darüber aufgeklärt werden, dass es nicht klar sei, wie Lichttherapie genau wirke.
Experten empfehlen im „British Medical Journal“:*
- Intensives, helles Licht früh morgens bei leichten bis mittelschweren SAD-Symptomen
- Antidepressiva mit oder ohne Lichttherapie beziehungsweise Psychotherapie bei schweren SAD-Symptomen.
20.09.2010