Demenz: Kosten jährlich in Milliarden Höhe
Im Jahr 2007 verursachten Demenzkrankheiten in der Schweiz volkswirtschaftliche Kosten von 6,3 Milliarden Franken. Dies zeigt eine jüngst im Wissenschaftsmagazin Swiss Medical Weekly publizierte Studie. In den nächsten Jahrzehnten muss angesichts der demographischen Entwicklung mit einer massiven Zunahme der Kosten gerechnet werden.
Erstmals liegen für die Schweiz Zahlen zu den gesamtwirtschaftlichen Kosten von Demenz vor. Die jüngst im Swiss Medical Weekly
publizierte Studie des Forschungsinstituts Ecoplan Bern zeigt: Demenz verursachte im Jahr 2007 volkswirtschaftliche Kosten in der Höhe von 6,3 Milliarden Franken.
Die direkten Kosten für die Inanspruchnahme von Leistungen in Zusammenhang mit der Diagnose und Behandlung der Krankheit (Pflege, Arztbesuch, Hospitalisation, Medikamente etc.) belaufen sich auf 3.5 Milliarden Franken. Das entspricht einem Anteil von 6.3% der gesamten Gesundheitskosten in der Schweiz (55.2 Milliarden Franken 2007). Die indirekten Kosten (nicht erfasst als Kosten des Gesundheitswesens) für die informelle Betreuung und Pflege durch Angehörige und Bekannte belaufen sich auf 2.8 Milliarden Franken.
Massive Zunahme der Anzahl Menschen mit Demenz
In der Schweiz leben heute über 100‘000 Menschen mit Demenz. Je älter der Mensch, desto höher sein Risiko, an Demenz zu erkranken. Infolge der demographischen Entwicklung wird die Anzahl Menschen mit Demenz weiter kontinuierlich ansteigen: In zehn Jahren werden in der Schweiz bereits geschätzte 150‘000 Menschen mit Demenz leben, im Jahr 2050 werden es knapp 300‘000 sein. Dannzumal wird jede achte Person über 65 Jahre an Demenz leiden, sofern keine überraschenden Fortschritte bei Prävention oder Heilung gemacht werden.
Rückgang der günstigen Pflege zu Hause
Nicht nur die steigende Anzahl Betroffener wird künftig massiv höhere gesamtgesellschaftliche Kosten generieren, sondern auch der zu erwartende Rückgang der informellen Pflege. Wie die Studie zeigt, ist die Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz im Durchschnitt zu Hause kostengünstiger als im Heim. Heute leben knapp 60% der Menschen mit Demenz zu Hause und werden von ihren Angehörigen betreut. Aufgrund der sich wandelnden Familienstrukturen können und wollen sich immer weniger Angehörige der anspruchsvollen Pflege und Betreuung ihres demenzkranken Familienmitglieds widmen. Durch den Rückgang der informellen Pflege ist mit zusätzlichen Gesundheitskosten in der Höhe von bis zu 2,8 Milliarden Franken zu rechnen.
Das Ausland bereitet sich vor
Demenz ist heute bereits eine der weltweit häufigsten Krankheiten und wird zur grössten Herausforderung für unsere Gesellschaft. Viele europäische Staaten, die USA oder Australien treffen seit einigen Jahren Vorkehrungen, um die demenzgerechte und kosteneffiziente Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz sicher zu stellen.
So hat Deutschland das „Leuchtturmprojekt Demenz“ mit Therapie- und Pflegemassnahmen, Vorsorgestrukturen, pflegerischer und medizinischer Betreuung sowie Qualifizierung der beteiligten Berufsgruppen entwickelt, Frankreich den „Plan Alzheimer“ oder England die „Nationale Demenz Strategie“.
Herausforderung Demenz: Die Schweiz muss endlich handeln
Anders als unsere Nachbarländer verfügt die Schweiz über keine nationale Strategie, wie der zu erwartenden Herausforderung Demenz zu begegnen ist. Unter anderem gibt es keine Angebote und Anreize, damit die kosteneffiziente Betreuung von Betroffenen zu Hause nicht weiter zurückgeht. Es ist nicht sichergestellt, dass die Schweiz auch in Zukunft genügend und gut ausgebildete Pflege- und Betreuungspersonen hat. Zudem ist nicht vorgesorgt, dass es in der Schweiz genügend demenzgerechte Heimplätze und Tagesstätten gibt.
Zurzeit sind in der Schweiz jedoch nicht genügend Daten vorhanden, welche als Grundlage für eine solche nationale Demenzstrategie beigezogen werden könnten. Die von der Schweizerischen Alzheimervereinigung finanzierte unabhängige Studie zu den volkswirtschaftlichen Kosten von Demenz bildet eine erste Referenzgrösse. Weitere Studien über die Auswirkungen der Demenz sind dringend erforderlich - auch auf kantonaler Ebene. Diese Grundlagen müssen jetzt erarbeitet werden.
13.09.2010