Alkohol - ( k)ein Problem? Die Sichtweisen variieren
Am 10. Mai 2012 ist Nationaler Aktionstag Alkoholprobleme. Mit der Frage „Und wo ist das Problem?“ wollen Alkoholfachstellen den öffentlichen Dialog anregen. Betroffene, Nahestehende, Fachleute und weitere Stimmen aus der Bevölkerung zeigen die unterschiedlichen Wahrnehmungen von Alkoholproblemen. Allzu oft wird weggeschaut. Der Aktionstag will das Schweigen brechen.
„Und wo ist das Problem?“ fragt der Nationale Aktionstag Alkoholprobleme in diesem Jahr. Am 10. Mai 2012 berichten Fachleute über ihre Erfahrungen und zeigen auf, welche Unterstützungsangebote bestehen. Gleichzeitig regt der Aktionstag dazu an, Fragen rund um den eigenen Alkoholkonsum zu stellen.
„Ich überschreite Grenzen, statt sie einzuhalten“
Menschen nehmen Alkoholprobleme unterschiedlich wahr. Der Aktionstag schafft Raum für individuelle Sichtweisen: Tim (Name geändert) lebt intensiv. Mit Leidenschaft verfolgt er seine Interessen. Früher spielte er Handball auf höchstem Niveau, bis ihn eine Verletzung zum Rücktritt zwang. Das Training abends hinterliess eine Lücke, die er nach und nach mit Alkoholtrinken füllte. Kein Problem – das war lange seine Haltung. Der Alkohol begleitete ihn täglich, er half ihm, abzuschalten, sich zu beruhigen. Tim trank stets allein, im Verborgenen. Er ist selbständig erwerbend, doch ab Mitte Nachmittag war damals an Arbeit nicht mehr zu denken. Er zog sich zurück, schlief. Irgendwann realisierte er seinen Leistungseinbruch. Er war überall nur halb bei der Sache, ruhelos. Inzwischen hat der 57-Jährige viel über seinen Konsum nachgedacht und Schritte unternommen, diesen in den Griff zu kriegen. Die Tagebuchnotizen von früher erschrecken ihn. Das Mass zu finden, bleibt für ihn immer noch schwer. Heute helfen ihm eine Selbsthilfegruppe sowie ein Medikament, vom Alkohol zu lassen.
„Für mich ist Alkohol ein Genuss“
… sagt Anita (Namen geändert), 25, kaufmännische Angestellte. „Die Jugendlichen trinken zu viel“, meint Barbara, 24, Übersetzerin. „Es gibt ein Problem mit Alkohol“, räumt Charlotte, 17, Schülerin, ein. Das Problem gelte aber nicht für alle. „Alkohol ist zu billig“, urteilt, August, 49, Verkäufer. „Wenn Alkohol konsumiert wird, um Probleme zu unterdrücken, sehe ich Schwierigkeiten“, denkt Debora, 27, Industrielackiererin. „Problematisch wird es, wenn der Alkoholkonsum zu einer Gewohnheit wird“, erwidert Eveline, 22, Studentin. „Ich finde es tragisch, wenn Menschen ihre Grenzen nicht kennen“, ergänzt Franziska, 19, Studentin.
„Die meisten Jugendlichen haben keine Probleme mit Alkohol“
… betont Anna Mele, zuständig für die offene Jugendarbeit in einem Bieler Quartier. Sie stellt fest, dass 15- oder 16-Jährige phasenweise Alkohol ausprobieren, Grenzen erkunden. Für viele gehört dies zu den Erfahrungen im Jugendalter. Eine Minderheit der Jugendlichen trinkt problematisch, wobei oft gleichzeitig andere Schwierigkeiten in Schule, Ausbildung oder Beziehungen bestehen. Im Jugendtreff darf kein Alkohol getrunken werden. Regelverstösse greift Anna Mele mit den Jugendlichen auf
03.05.2012