Chronische Darmentzündung: Berner Forscher entdecken ''krankes'' Enzym
Rheumaforscher am Inselspital Bern haben es in einer internationalen Untersuchung herausgefunden: Eine genetische Variante eines eiweissspaltenden Enzyms der Darmschleimhaut ist ein Risikofaktor für chronische Entzündungen im Darm.
Jeder Tausendste in der Schweiz leidet daran, darunter immer mehr Kinder und junge Erwachsene: an Colitis ulcerosa oder an Morbus Crohn, den zwei Hauptarten chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (inflammatory bowel diseases IBD). IBD äussert sich unter anderem durch schubweise auftretende Bauchschmerzen, Fieber, Durchfall, Blutarmut und Gewichtsverlust.
Im Kampf gegen IBD
Die Universitätsklinik für Rheumatologie, Klinische Immunologie und Allergologie (RIA) am Inselspital widmet sich unter Direktor Prof. Peter Villiger unter anderem der Bekämpfung von IBD. Zusammen mit der Universität Bern, der University of Oxford in Grossbritannien und dem amerikanischen Penn State College of Medicine hat ein RIA-Team um Dr. Dr. Daniel Lottaz eine Protease (eiweisspaltendes Enzym) der Darmschleimhaut namens Meprin untersucht.
Ergebnis: Eine bestimmte Genvariante des Meprin kommt bei IBD-Patienten häufiger vor als bei Gesunden. Die Resultate sind vor kurzem in der Fachzeitschrift „Mucosal Immunology“ publiziert worden. Die Hoffnung besteht, dass dereinst die Korrektur des Enzymdefekts im Darm IBD-Patienten helfen könnte.
IBD-Patienten: „falsches“ Meprin
Die Berner Forscher fanden eine stark reduzierte Aktivität von Meprin bei IBD-Patienten. In Zusammenarbeit mit Genetikern aus der University of Oxford untersuchten sie rund 800 IBD-Patienten hinsichtlich genetischer Meprin-Varianten. Dabei zeigte sich, dass bei IBD-Patienten eine bestimmte Variante gehäuft vorkommt. Die amerikanischen Forscher ihrerseits studierten die Wirkung dieses „falschen“ Meprins bei Labormäusen. Mäuse mit dieser Meprin-Variante waren deutlich gefährdeter, eine Entzündung im Darm zu entwickeln.
Gesamthaft deuten die Resultate darauf hin, dass das richtige Meprin vor IBD schützt. Wie genau das Enzym diese Wirkung entfaltet, ist Gegenstand weiterer Forschung. Eine Hypothesen lautet, dass Meprin die Oberfläche der Bakterien im Dickdarm günstig modifiziert und damit der Entzündung entgegenwirkt.
Jeder Tausendste an IBD erkrankt
Schätzungsweise 7'000 Personen leiden in der Schweiz an IBD. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts nimmt IBD in der westlichen Welt an Häufigkeit zu. Die Ursachen für diese Zunahme sind noch unklar. IBD-Patienten leiden unter anderem an schubweise auftretenden Bauchschmerzen, Fieber, Durchfall, Blutarmut und Gedeihstörungen oder Gewichtsverlust.
Als Ursache gilt eine defekte Schleimhautbarriere und eine gestörte Regulation des Immunsystems. Die IBD-Patienten werden daher unter anderem mit immununterdrückenden Medikamenten behandelt. Oft müssen aufgrund von Komplikationen Teile des Darms chirurgisch entfernt werden. Man geht heute davon aus, dass bei erblich vorbelasteten Menschen Umwelteinflüsse unbekannter Art die Erkrankung auslösen können. Es deuten viele Anzeichen darauf hin, dass ein gestörtes Zusammenwirken von Darmgewebe (Schleimhaut) und Darmbakterien dabei eine wichtige Rolle spielt.
Internationales Forschungszentrum in Bern
Am Inselspital werden rund 500 IBD-Patienten behandelt. An der Universitätsklinik für Rheumatologie, Klinische Immunologie und Allergologie (RIA; Direktor Prof. Peter Villiger) wird seit März 2008 ein europäisches Forschungsnetzwerk koordiniert (IBDase, www.ibdase.org, Koordinator Dr. Daniel Lottaz). Im Zentrum der Forschung stehen Proteasen und deren Gegenspieler, sogenannte Inhibitoren (Enzymhemmer). Neben Bern nehmen neun weitere akademische Zentren aus Belgien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien, Schweden und Grossbritannien daran teil. Das Budget für das gesamte Projekt beläuft sich auf 3 Millionen Euro über 3 Jahre.
In Bern wirken neben der RIA die folgenden Kliniken und Institute des Inselspitals und der Universität Bern mit:
- Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin (Prof. Frank Seibold)
- Institut für Biochemie und Molekulare Medizin (Prof. Erwin Sterchi)
- Institut für Pathologie (Prof. Christoph Müller)
- Institut für Sozial- und Präventivmedizin (Prof. Peter Jüni)
Durch Investitionen in die wissenschaftliche Infrastruktur und die Rekrutierung eines hochkarätigen Teams internationaler Forscherinnen und Ärzte wird in Bern ein weltweit führendes Forschungszentrum für Darmerkrankungen und Immunologie des Magendarmtrakts aufgebaut.
18.08.2009