Jeder Achte bringt Beruf und Privates nur schlecht in Einklang
Jeder achte Arbeitnehmer in der Schweiz hat Probleme, Beruf und Privatleben miteinander zu vereinbaren. Der dadurch verursachte Stress erhöht das Risiko für gesundheitliche Probleme, wie eine Studie von Forschern der ETH und der Universität Zürich zeigt.
Die Wissenschaftler um Oliver Hämmig vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Uni Zürich und vom Zentrum für Organisations- und Arbeitswissenschaften der ETH Zürich werteten Daten von rund 4'400 Angestellten aus, die im Schweizer Haushalts-Panel erhoben worden waren.
Die Teilnehmer wurden zum Beispiel gefragt, wie stark die Arbeit ihr Privatleben beeinträchtige und wie schwer ihnen das Abschalten falle.
Jeder siebte Mann und jede neunte Frau bekunden demnach grosse oder sehr grosse Mühe, Erwerbs- und Privatleben miteinander in Einklang zu bringen, wie die Forscher im Fachmagazin "BMC Public Health" berichten. Weitere 23 Prozent der Befragten gaben an, mittlere Probleme mit dieser so genannten Work-Life Balance zu haben.
Lange Präsenzzeiten
Frauen seien aber nur scheinbar weniger betroffen, sagte Oliver Hämmig auf Anfrage. Frauen arbeiten nämlich viel öfter nur Teilzeit. Verglichen die Forscher nur Frauen und Männer, die Vollzeit arbeiten, berichteten Frauen eher häufiger über Konflikte zwischen Arbeit und Privatleben.
Neben einer hohen zeitlichen Arbeitsbelastung ist auch eine höhere berufliche Stellung ein Risikofaktor für Vereinbarkeitsprobleme: Rund jeder fünfte Arbeitnehmer in leitender Position ist betroffen. Dabei spielen auch gleitende Arbeitszeiten eine Rolle. Vor allem in höheren Positionen führe Gleitzeit gerne dazu, dass länger gearbeitet werde, sagte Hämmig.
Mehr Rückenschmerzen
Das gestörte Arbeit-Freizeit-Verhältnis hat Folgen: Menschen, die beide Lebenswelten schlecht in Einklang bringen, klagen auch deutlich häufiger über gesundheitliche Beschwerden. Der Stress führt dabei nicht nur zu psychischen Problemen wie Schlaflosigkeit oder Anzeichen von Depressionen, sondern auch zu köperlichen Leiden wie Kopf- oder Rückenschmerzen.
Männer mit grossen Rollenkonflikten hatten ein 2.7 Mal höheres Risiko für eine schlechte selbsteingeschätzte Gesundheit als Männer mit guter Work-Life Balance. Und das Risiko, an Rückenbeschwerden zu leiden, war für gestresste Männer und Frauen um 70 bis 80 Prozent erhöht.
Die Studie zeige erstmals das Ausmass und die gesundheitlichen Folgen eines gestörten Gleichgewichts zwischen Arbeit und Privatleben in der Schweizer Erwerbsbevölkerung, sagte Hämmig. Bislang sei man oft davon ausgegangen, dass es sich um ein Problem handle, das nur bestimmte Berufssgruppen wie Manager betreffe.
Grossuntersuchung bei Firmen
Einige, vor allem grosse, Unternehmen haben sich laut dem Forscher der Problematik bereits angenommen. Hämmig und seine Kollegen führten zum Beispiel vor zwei Jahren eine eigene Befragung durch bei rund 6000 Mitarbeitern von vier grossen Schweizer Dienstleistungsunternehmen.
Noch seien nicht alle Ergebnisse der Studie publiziert, sagte Hämmig. Aber das Ausmass solcher Rollenkonflikte habe sich bestätigt - und die gesundheitlichen Auswirkungen hätten sich zum Teil sogar als noch stärker erwiesen.
Laut dem Forscher gibt es eine ganze Palette von Massnahmen, um das Problem zu entschärfen. Wichtig sei eine Unternehmenskultur, welche die Nutzung von Angeboten zur Verbesserung der Work-Life Balance begünstige und nicht verhindere. Es habe sich zum Beispiel gezeigt, dass Mitarbeiter ihr Pensum nur selten reduzierten, wenn sie befürchteten, dass darunter ihre Karriere leiden könnte.
28.12.2009