Suizid und Depression: Das Wissen der Schweizer Bevölkerung ist mangelhaft
Die Resultate einer Umfrage bringen es an den Tag: Schweizer sind schlecht über Depressionserkrankungen oder Suizid informiert und es existieren viele Fehleinschätzungen bei diesen Themen. Aufklärungskampagnen könnten hier Abhilfe leisten, meinen Experten.
Das Marktforschungsinstitut Isopublic hatte im April 2012 insgesamt 1001
Deutsch- und Westschweizerinnen und -schweizer im Alter von 18 bis 74 Jahren zu Depression und Suizid befragt. Die Resultate zeigen, dass viele Schweizer Bürger nicht viel Ahnung oder sogar Falschwissen zum Krankheitsbild Depression oder zu Suizid haben.
So meinte die Hälfte der Befragten, dass es mehr Tote durch Verkehrsunfälle gibt als durch Selbsttötung. Fakt: Durch Suizid sterben dreimal mehr Menschen in der Schweiz. Weiter war die Mehrheit der Befragten der Meinung, dass dem Suizid eine lange Planung vorausginge. Dazu der Suizidexperte und Psychiater Konrad Michel aus Bern gegenüber den Initianten der Umfrage „Lean on me“: "Ein Suizid ist eine Verzweiflungstat, die der Betroffene in einer anderen Situation nicht begangen hätte.“
Das grösste Problem ist, dass die meisten Menschen
Selbsttötungsgedanken für sich behalten. Es sei deshalb nicht erstaunlich, dass vier von fünf Befragten angaben, über den Selbstmordversuch oder über den Suizid eines Bekannten sehr überrascht gewesen zu sein.
Warnhinweise müssten dringend besser erkannt werden und im schlimmsten Fall müssten Angehörige, Freunde oder Bekannte professionelle Hilfe anfordern, so Michel weiter.
Der Experte stellte aber auch fest: Die Mehrheit der Befragten gaben an, sie würden einen Freund oder einen guten Bekannte in einer Krisensituation ansprechen, ihm zu professioneller Hilfe raten oder auch zum Arzt oder durch die Krise zu begleiten.
Depression – die grosse Unbekannte
Viele der Befragten gaben an, es sei ihnen nicht bewusst, dass hinter 70% der Suizide eine Depressionserkrankung steht. Ausserdem hatten fast zwei Drittel der Befragten das Gefühl, dass mit Zuwendung und genügend Aufmerksamkeit ein Suizid verhindert werden könne. Dazu der Experte: "Zuwendung alleine genügt in den wenigsten Fällen, grosse Krisen und Depressionen verlangen eine intensive und individuelle Behandlung.“
Solche verbreiteten Fehleinschätzungen seien für ihn überraschend. Denn: Laut der Umfrage kennt jeder zweite Schweizer einen Menschen, der durch Selbsttötung gestorben ist. Aber: Die grosse Mehrheit der befragten Personen schätzen Suizid zumindest als schwerwiegendes" oder sogar als "eher schwerwiegendes Problem" für die Schweiz ein.
Gezielte Aufklärungskampagnen wären äusserst sinnvoll und notwendig – das finden nicht nur Experten, auch viele der Befragten. Dazu brauche es Aufklärung zu Ursachen und zu Folgen von Depressionserkrankungen sowie Tipps zu Auswegen aus Krisensituationen, wie Barbara Weil von der IPSILON-Initiative zur Suizidprävention in der Schweiz sagt. Hier seien auch die Medien gefordert.
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24.05.2012