Hormon ist nicht gleich Hormon - Der Experte erklärt
Hormongaben können zwar gesundheitliche Störungen in den Wechseljahren ausgleichen und Folgeerkrankungen vermindern. Bisherige Hormontherapien (HRT) sind aber - wie Studien belegt haben - risikoreich und die Folgen können fatal sein.
Dr. Alexander Römmler ist renommierter Gynkäkologe, Endokrinologe und Anti-Aging-Mediziner und Autor des Ratgebers "Die Wahrheit über Hormone" und stellte sich in einem Interview den Fragen zur modifizierten Hormontherapie, welche angeblich mit deutlich weniger hohen Risiken verbunden sei, als die herkömmliche Hormontherapie HRT in den Wechseljahren.
Sprechzimmer: Herr Römmler, viele Frauen sind aufgrund der einmal positiven, dann wieder negativen Schlagzeilen zurzeit verunsichert, was die Hormonersatztherapie (HRT) nach der Menopause betrifft. Welchen Frauen raten Sie zum Hormonersatz?
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Dr. med. Alexander Römmler
Ein körperidentischer Hormonersatz kann aus zwei Gründen eingesetzt werden:
- 1. Zur Therapie klimakterischer Ausfallsbeschwerden, denn dadurch wird direkt die Ursache der Beschwerden beseitigt.
- 2. Als Beitrag zur Prävention von degenerativen Folgeerkrankungen, die durch den chronischen Ausfall der Eierstocks Hormone gefördert werden. Dabei ist in erster Linie an Schrumpfungsprozesse von Haut- und Schleimhäuten, Verstärkung der Arteriosklerose sowie an die Arthrose und Osteoporose zu denken.
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Sprechzimmer: Hormon ist nicht gleich Hormon … Was hat es mit den sogenannten körperidentischen Hormonen auf sich – was sind deren Vorteile?
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Dr. med. Alexander Römmler
Die „herkömmliche“ HRT besteht vorwiegend aus der Gabe von Östrogenen in Tablettenform, gegebenenfalls kombiniert mit einem synthetischen Gestagen. Ihre Anwendung hat neben Vorteilen aber auch gesundheitliche Risiken, zu denen häufiger Thrombose, Lungenembolie und Schlaganfall sowie vermehrt Brustkrebs gehören.
Solche zusätzlichen Risiken sind weitgehend vermeidbar, wenn man die Art der Hormonanwendung den natürlichen Verhältnissen besser anpasst: Dazu gehören die Gabe des natürlichen Östrogens in geeigneter Verabreichung und die Kombination mit dem natürlichen Gestagen, d.h. dem körperidentischen Progesteron. Die Studienlage dazu ist überzeugend und beeindruckend.
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Sprechzimmer: In Ihrem Buch propagieren Sie die niedrig dosierte Anwendung von Östrogenen über die Haut. Was ist der Vorteil dieser Anwendung?
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Dr. med. Alexander Römmler
Östrogene in Tablettenform („oral“) werden über den Magen-Darmtrakt aufgenommen und erst zur Leber transportiert. Dort werden sie zum grossen Teil abgebaut, so dass nur noch wenig in das Blut und den übrigen Organismus gelangt. Daher braucht es eine hohe Östrogendosis, damit Behandlungserfolge eintreten. Diese hohe Menge belastet aber die Leber und aktiviert dort viele Prozesse, die in Folge zu erhöhtem Thromboserisiko und Komplikationen der Gallenwege führen.
Heute empfiehlt man daher die Zuführung von Östrogen über die Haut, das heisst transdermal, als Pflaster, Gel oder Creme. Dadurch wird die erste Leberpassage vermieden und es reicht eine kleine Östrogendosis, die ca. 1/40 der oral zugeführten Menge beträgt. Die gefürchteten Nebenwirkungen werden bei der Hautapplikation nicht mehr beobachtet.
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Sprechzimmer: Was für Wirkungen und allenfalls auch Nebenwirkungen sind neben dem günstigen Einfluss auf die typischen Beschwerden der Menopause zu erwarten?
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Dr. med. Alexander Römmler
Neben dem Östrogen fällt mit den Wechseljahren auch das Progesteron ab. Sein Mangel trägt beispielsweise zu Stimmungsschwankungen wie Gereiztheit und Unruhe, Blutdruckschwankungen und Wassereinlagerungen bei. Es schützt aber auch vor Gebärmutter- und Brustkrebs. Das ist mit ein Grund dafür, dass eine gesunde Frau während der Geschlechtsreife eher selten an Krebs der Geschlechtsorgane erkrankt, das Risiko ab Beginn der Wechseljahre dann jedoch sprunghaft ansteigt.
Bei einer herkömmlichen HRT wird statt des Progesterons ein synthetisches, d.h. körperfremdes Gestagen eingesetzt. Die Studienlage belegt eindeutig, dass solche Kombinationen das Brustkrebsrisiko erhöhen. Daher raten wir bei einer HRT dringend zur Kombination mit dem körperidentischen Progesteron. Diese Hormongabe lässt in bereits 8-jährigen Studienverläufen kein zusätzliches Brustkrebsrisiko mehr erkennen. Ausserdem bringt die kombinierte Behandlung noch viele weitere gesundheitliche Vorteile im ganzen Organismus mit sich.
Eine Dosis Progesteron wird möglichst jeden Abend zugeführt, jedoch in Kapselform, denn dieses Hormon sollte die Leber - im Gegensatz zum Oestrogen - passieren! Dabei entstehen nämlich beruhigende, angstlösende und indirekt auch schlaffördernde Botenstoffe, welche besonders im Gehirn zur Stimmungsverbesserung und Nervenregeneration beitragen.
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Sprechzimmer: Ihr Fazit zur Hormonersatztherapie im Jahr 2011 in zwei Sätzen?
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Dr. med. Alexander Römmler
Die herkömmliche HRT muss modifiziert werden, denn sie geht unnötigerweise mit verschiedenen Krankheitsrisiken einher, wodurch prinzipiell sinnvolle Hormongaben in Verruf gekommen sind.
Durch die Verabreichung des Östrogens über die Haut und orale Einnahme des körperidentischen Progesterons können natürliche Hormonspiegel wieder hergestellt werden, die eine gesunde Frau zu Beginn ihres Zyklus zur Gesunderhaltung jahrzehntelang gut vertragen hatte.
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Zum Interview-Partner
Dr. med. Alexander Römmler, Gynäkologe, Endokrinologe und Anti-Aging-Mediziner.
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PD Dr. med.
Alexander Römmler
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PD Dr. Alexander Römmler arbeitete als Facharzt für Gynäkologie mit den Schwerpunkten Endokrinologie und Reproduktionsmedizin sowie Andrologie.
1981 gründete er das Hormonzentrum München, wo er bis 2009 praktizierte.
Als Gründer und langjähriger Präsident der GSAAM e. V. (1998-2009) ist er jetzt deren Ehrenpräsident. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen auf dem Gebiet Endokrinologie, Prävention und Anti-Aging-Medizin, dazu kontinuierlich Vorträge, Uni-Vorlesung, Seminare, wissenschaftliche Artikel und Buchbeiträge. Ratgeber "Die Wahrheit über Hormone''
Deutsche Gesellschaft für Prävention und Anti-Aging Medizin e.V. München (GSAAM)
Siebenbürgener Str. 13
D-81377 München
Tel. 089 7146094
www.alexanderroemmler.com
Mediscope
24.01.2011 - Dr. med. Daniel Desalmand, dzu