Herzerkrankungen - Hilfe durch physiotherapeutische Präventionsmassnahmen und Behandlungen
Herz-Kreislauferkrankungen können genetische Gründe haben.
Die häufigsten Herzleiden werden jedoch durch einen schlechten Lebensstil verursacht. Zu den Herzrisikofaktoren gehören: Rauchen, Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte sowie;Blutzuckerwerte, Bewegungsmangel, Stress, Übergewicht (Adipositas). Heute weiss man, dass es sich auch im Erkrankungsfall lohnt, diese Risikofaktoren zu reduzieren oder zu eliminieren.
Physiotherapie bei Herzerkrankungen
Physiotherapie setzt bei Herzerkrankungen in der Rehabilitation an. Wie das Rehabilitationsprogramm aufgebaut wird, entscheiden Arzt und Patient so weit wie möglich gemeinsam.
Die Rehabilitation ist in drei Phasen eingeteilt
- Phase I: Frühmobilisation im Spital
- Phase II: Ambulante oder stationäre Rehabilitation
- Phase III: Langzeitrehabilitation, Herzgruppe
Die wichtigsten Ziele der Therapie - Frühmobilisation
Voraussetzung für physiotherapeutische Massnahmen bei Herzkranken, ist die gleichzeitige ärztliche Behandlung der Ursache der Herzkrankheit.
Ziele der Physiotherapie bei Herzkranken sind unter anderem:
- Vorbereitung des Herzkranken auf Alltagsbelastungen
- Wahrnehmung von Überbelastungszeichen durch den Patienten
- Erhalt und Steigerung der körperliche Leistungsfähigkeit
- Patient lernt sich gut zu entspannen
- Entspannung von Muskel und Gewebe des Brustkastens
- Anlernen von ökonomischem Bewegungsverhalten
Vorbereitung auf Alltagsbelastungen
Im Spital wird der Patient so rasch wie möglich mobilisiert und stufenweise auf die Alltagsbelastung nach seiner Entlassung vorbereitet. Eine Frühmobilisation in der Akutphase wirkt sich zudem günstig auf den weiteren Krankheitsverlauf aus. In den letzten Tagen im Spital wird die Belastungsschwelle so weit angehoben, dass der Patient leichte Aktivitäten zuhause bewältigen kann.
Fällt der Kreislauf Blutdruck bei raschen Lagewechseln (Liegen zu Sitzen; Sitzen zu Stand) ab, lernen die Betroffenen ausserdem, wie sie sich bereits im Liegen oder Sitzen mit kleinen Übungen auf den Lagewechsel und auf körperliche Belastungen vorbereiten können.
Beispielübungen:
- Rhythmisches Anspannen und Lösen der Muskeln in Beinen, Händen und Armen
- Dynamische Übungen mit den Füssen und Beinen (z. B. Fusskreisen, Knie abwechslungsweise beugen und strecken)
- Dynamische Übungen mit Fingern, Händen und Armen (z. B. Faust öffnen und schliessen, Hände kreisen, 'Luftboxen')
Armbewegungen werden von Herzkranken oftmals als anstrengender empfunden. In diesen Fällen werden Armübungen ausgelassen oder nur sanft miteinbezogen.
Wahrnehmung von Überbelastungszeichen durch Patienten
Es ist wichtig, dass der Herzkranke Überlastungszeichen selber richtig und rechtzeitig wahrnimmt und die Belastung entsprechend anpasst. Das verhilft ihm zur Sicherheit im Alltag.
Die wichtigsten Zeichen für eine Überbelastung, die ein Patient selbständig wahrnehmen kann, betreffen die Atmung, die Pulsfrequenz sowie den Anstrengungsgrad.
Atmung:
Für herzkranke Patienten ist die Wahrnehmungsschulung der Atmung aus zweierlei Gründen wichtig. Einerseits lernt der Betroffene, wie er atmet und ob er sich beim Atmen übermässig anstrengt. Kondition und Belastbarkeit des Herzens beeinflussen die Atemfrequenz. Herzkranke lernen einzuschätzen, wie ihre Atmung mit der Pulsfrequenz zusammenhängt. Bei Herzkranken mit tiefer Kondition oder schwerer Herzkrankheit steigt beispielsweise die Atemfrequenz rascher an. Andererseits erwirbt der herzkranke Patient eine ökonomischere Atemführung und lernt, sich besser zu entspannen.
Pulsfrequenz:
Wie hoch der Pulsschlag während der Belastung sein darf, wird mittels Belastungsuntersuchungen vorgängig durch den Arzt definiert. Regelmässige Pulskontrollen in Ruhe, während der Belastung und in der Erholungsphase helfen dem Herzpatienten seine Herzbelastungsgrenze besser kennen zu lernen. Der Patient lernt deshalb seinen Puls selbst zu ertasten. Mit der Zeit lernt er auch ohne Pulsmessgerät einzuschätzen, wie hoch sein Puls jeweils ist. So weiss er, wann sein Herz die Belastungsgrenze erreicht und kann sich vor Überbelastung schützen.
Anstrengungsgrad:
Grosse Unterschiede zwischen dem persönlichen Belastungsgefühl und dem Puls, sollte der Patient mit dem Arzt besprechen. Das subjektive Leistungsgefühl kann beispielsweise anhand der Borgskala gemessen werden.
Borgskala |
|
---|---|
Skalenwert | Leistungswert |
6 | Überhaupt keine |
7 | Extrem leicht |
8 | - |
9 | Sehr leicht |
10 | - |
11 | Leicht |
12 | - |
13 | Etwas anstrengend |
14 | - |
15 | Schwer |
16 | - |
17 | Sehr schwer |
18 | - |
19 | Extrem schwer |
Kardiovaskuläre Rehabilitation
In der Behandlung der Herzpatienten nimmt die Herz-Kreislauf-Rehabilitation eine Schlüsselstellung ein. Die kardiovaskuläre Rehabilitation sollte im Rahmen eines strukturierten ambulanten oder stationären Programmes von mehreren Wochen Dauer erfolgen.
Die Betreuung und Behandlung der Betroffenen berücksichtigt die verschiedenen körperlichen, psychischen und psychosozialen Aspekte der Erkrankung des Patienten. Es konnte nachgewiesen werden, dass nur mittels strukturierter und umfassender kardialer Rehabilitation eine Verbesserung der wichtigsten Verlaufszeichen erreicht werden kann.
Ziele einer kardiovaskulären Rehabilitation sind:
- Rasche Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit
- Höhere Rate der Arbeitsfähigen
- Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Alltagsbewältigung
- Stopp und teilweise auch Rückgang der Arteriosklerose
- Minderung des Risikos eines erneuten Ereignisses und der Sterblichkeit
- Reduktion der Rehospitalisationsrisikos
- Stabilisierung der Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
- Bei Vorhandensein mehrfacher Risikofaktoren und Verzögerung der Notwendigkeit einer Herztransplantation
Eine kardiovaskuläre Rehabilitation ist angezeigt nach einer akuten oder bei chronischer Herzerkrankung wie zum Beispiel:
- Nach Herzinfarkt
- Bei medikamentös stabilisierte Angina pectoris
- Bei stabiler konoraren Herzkrankheit (KHK, Herzgefässerkrankung) (mit/ohne Katheter)
- Nach Operationen am Herz und an den Gefässen
- Bei anderen Herzkreislaufkrankheiten (z.B. nach Schlaganfall?? etc.).
Ziel der Rehabilitation ist eine möglichst optimale Wiederherstellung der physischen und psychischen Integrität des Herzpatienten, die Patienten möglichst rasch und umfassend in ihr berufliches und soziales Leben zurückzuführen sowie ihnen wieder ein aktives Leben zu ermöglichen.
Dazu sind notwendig:
- Informationen über die eigene Krankheit (Diagnose und Therapie)
- Erhöhung der körperlichen Aktivitäten
- Aneignung eines gesunden Lebensstils; dazu gehören:
- Ernährungsberatung
- Stressbewältigung
- Raucherentwöhnung
Wichtig: Die Grunderkrankung eines Herz-Kreislaufleidens besteht auch nach der Therapie und Rehabilitation weiter.
Die Eigenmotivation und der Wille des Patienten, sich mit seiner Situation auseinander zu setzen und auf Warnsignale zu achten, respektive zu spüren, was dem Körper gut tut, tragen genauso zum Erfolg der Rehabilitation bei, wie die Reduktion der Risikofaktoren.
Ambulante oder stationäre Rehabilitation
Die Ärzte empfehlen meist ein Rehabilitationsprogramm nach dem Spitalaufenthalt für eine Dauer von mehreren Wochen. Eine ambulante Rehabilitation dauert in der Regel 12 Wochen, die stationäre 4 Wochen.
Ob die Rehabilitation stationär oder ambulant durchgeführt werden kann, hängt von folgenden Faktoren ab:
- Mobilität des Patienten
- Schweregrad der Herz-Kreislauf-Erkrankung und der damit einhergehenden körperlichen Beeinträchtigung
- Subjektive Wahrnehmung des eigenen Gesundheitszustandes
- Berufliche und soziale Situation
- Angebot eines angemessenen ambulanten Rehabilitationsprogrammes in der Nähe des Wohnortes
Vorteile einer ambulanten Therapie
- Wohnortnähe
- Erholung in der gewohnten Umgebung
- Möglicher Einbezug von Angehörigen bei Lebensstilanpassungen
- Durchführung der Rehabilitation abgestuft und über längere Zeit
- Berufstätigkeit in Teilzeit oft möglich
- Erleichterung eines Übertritts in eine lokale Herzgruppe
Kriterien für eine stationäre Rehabilitation:
- Komplikationsreicher Verlauf
- Begleiterkrankungen
- Erhöhter Pflegebedarf
- Eintritt früh nach Operation erwünscht
- Intensive medizinische Überwachung und Kontrolle nötig
- Milieuwechsel angezeigt
- Fehlende Betreuung zu Hause
Langzeitrehabilitation
Die in der Rehabilitation erlernten Vorbeugemassnahmen sollten konsequent und lebenslang angewandt werden. Dennoch gelingt dies erfahrungsgemäss vielen Menschen nicht: Bereits ein Jahr nach der stationären Rehabilitation ist knapp die Hälfte nicht mehr genügend körperlich aktiv, ein Drittel raucht wieder oder immer noch und fast dreiviertel der Patienten sind (immer noch oder wieder) übergewichtig.
Herzgruppen
Schweizweit gibt es spezialisierte Herzgruppen mit einem ausgedehnten Angebot. Das betreute Gruppenprogramm bietet ein massgeschneidertes Bewegungsprogramm. Es unterstützt Patienten bei der Bekämpfung von Risikofaktoren, um ihren Lebensstil dauerhaft zu verbessern.
Weitere Vorzüge der Herzgruppen sind:
- Der Austausch von Erfahrungen mit anderen Betroffenen
- Informationsangebote zu Präventionsmöglichkeiten, Untersuchungsmethoden und Behandlungsmassnahmen
- Notfallkonzept für die Sicherheit in Fällen von Komplikationen und speziell ausgebildete Gruppenbetreuer (meist Physiotherapeuten oder Sportlehrer)
- Langfristiges und regelmässiges Angebot zur Vorsorge
Sport und Bewegung nach der Rehabilitation
Erlaubt sind grundsätzlich Belastungen, die keine körperlichen Beschwerden verursachen, beispielsweise:
- Ausgedehnte Spaziergänge, in möglichst zügigem Tempo
- Leichte Gartenarbeiten
- Fahrradfahren
- Gehen, Laufen, Walken
- Schwimmen
Nach Absprache mit dem Arzt können auch weitere Sportarten ausgeübt werden.