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Farbenblindheit: Die Farbsehschwäche ist meist angeboren und die Betroffenen bemerken die Farbsehschwäche oft lange selber nicht
Farbenblindheit: Die Farbsehschwäche ist meist angeboren und die Betroffenen bemerken die Farbsehschwäche oft lange selber nicht
Unter Farbenblindheit, Farbfehlsichtigkeit oder auch Farbschwäche, versteht man umgangssprachlich dasselbe, dennoch handelt es sich dabei um verschiedene Farbsehstörungen.

Bei der Farbfehlsichtigkeit können gewisse Farben nur eingeschränkt oder gar nicht voneinander unterschieden werden. Am häufigsten ist der Rot-Grün-Sinn betroffen, seltener der Blau-Gelb-Sinn. Die Farbenblindheit hingegen bedeutet einen kompletten Ausfall der Farbwahrnehmung, das heisst, es können nur noch Hell-Dunkel-Kontraste erkannt werden.

Farbsehstörungen sind in den meisten Fällen angeboren und werden meist geschlechtsgebunden vererbt (der Defekt liegt auf dem X-Chromosom). Das erklärt auch, weshalb mehr Männer (ca. 8 %) als Frauen (1%) betroffen sind. Am häufigsten ist eine Grünschwäche (in 50% der Fälle). Seltener können Farbsehstörungen auch erworben sein, z.B. bei Erkrankungen der Netzhaut oder des Sehnerven, dann handelt es sich vorwiegend um Blau-Gelb-Störungen.

Angeborene Farbsehstörungen sind nicht heilbar und ändern sich auch nicht im Verlauf. Erworbene Farbsinnstörungen können hingegen fortschreiten, wenn zugrundeliegende Erkrankungen nicht behandelt werden.

Je nach Ausprägung der Farbschwäche sind die Betroffenen kaum bis sehr stark in ihrem Alltag beeinträchtigt, zum Beispiel im Strassenverkehr. Das kann sich auch auf die Berufswahl auswirken: Gewisse Berufe sind bei Farbfehlsichtigen ungeeignet oder dürfen - je nach Ausprägungsgrad - gar nicht ausgeübt werden (z.B. Pilot, Lokomotivführer, Tramführer, Buschauffeur).
Farbenblindheit kann angeboren oder erworben sein.

In den meisten Fällen von Farbsehstörungen handelt es sich um angeborene Störungen, die meist geschlechtsgebunden über das X-Chromosom vererbt werden. Da Männer nur ein X-Chromosom haben, sind sie häufiger betroffen als Frauen, die ein defektes Farbgen auf einem X-Chromosom mit dem entsprechenden gesunden Farbgen auf dem zweiten X-Chromosom ''kompensieren'' können. Angeborene Farbsinnstörungen sind meist Rot-Grün-Störungen.

Erworbene Farbsehstörungen betreffen meist den Blau-Gelb-Sinn und können bedingt sein durch Erkrankungen der Netzhaut, z.B. eine Makuladegeneration (Veränderungen im Bereich des sogenannten gelben Flecks in der Netzhautmitte, dem Ort des schärfsten Sehens), Erkrankungen des Sehnervs, z.B. Entzündungen oder Tumore, sowie auch Medikamente oder Vergiftungen. Auch Durchblutungsstörungen im Rahmen eines Diabetes, ein grüner Star (Glaukom) oder grauer Star (Katarakt) können zu Farbsehstörungen führen.

Wie kommt es zu Farbsehstörungen?

In der Netzhaut des Auges gibt es verschiedene Lichtsinneszellen. Die lichtempfindlicheren Stäbchen sind für das Nachtsehen oder Sehen bei wenig Licht zuständig: Sie unterscheiden keine Farben, sondern nur hell und dunkel. Für das normale Farbsehen hingegen sorgen 3 Arten von Zapfen (Dreifarbensehen, Trichromasie): solche für Rot (langwelliges Licht), für Grün (mittelwelliges Licht) und für Blau (kurzwelliges Licht).

Einfallendes Licht reizt die jeweiligen Farbsinneszellen in unterschiedlichem Masse und führt nach komplexer Verarbeitung der Lichtreize zu den verschiedenen Farbwahrnehmungen im Gehirn. Beim Normalsichtigen entsteht also ein bestimmter Farbeindruck aus der Summe der Signale aller drei Zapfenarten. Fehlen bestimmte Zapfenarten, sind sie funktionsuntüchtig oder ist ihr Empfindlichkeitsbereich verändert, kommt es zu den verschiedenen Störungen des Farbsehens:

Farbschwäche (Anomale Trichromasie)

Wie bei Normalsichtigen sind alle 3 Zapfenarten vorhanden, deren Empfindlichkeitsspektrum ist aber verändert, so dass sich die Empfindlichkeitsbereiche zweier Zapfentypen überlappen. Die Farben werden schlechter wahrgenommen und unter ungünstigen Bedingungen (z.B. schlechte Lichtverhältnisse, schnelle Fahrt) miteinander verwechselt.
  • Grünschwäche (Deuteranomalie): Häufigste Form der Farbschwäche. Geschlechtsgebunden vererbt. Der Empfindlichkeitsbereich der Grünzapfen ist Richtung Rot verschoben.
  • Rotschwäche (Protanomalie): Geschlechtsgebunden vererbt. Der Empfindlichkeitsbereich der Rotzapfen ist Richtung Grün verschoben.
  • Blauschwäche (Tritanomalie): Sehr selten, wird nicht geschlechtsgebunden vererbt. Der Empfindlichkeitsbereich der Blauzapfen ist Richtung Grün verschoben.


Zweifarbensehen (Dichromasie)

Ein Zapfentyp ist defekt oder fehlt. Somit stehen nur noch 2 Zapfenarten fürs Farbsehen zur Verfügung, man spricht von Dichromasie (Zweifarbensehen). Eine teilweise Farbenblindheit ist die Folge. Am häufigsten ist der Rot-Grün-Sinn betroffen. Man unterscheidet:
  • Grünblindheit (Deuteranopie): Häufigste Form. Geschlechtsgebunden vererbt.
  • Rotblindheit (Protanopie): Geschlechtsgebunden vererbt.
  • Blaublindheit (Tritanopie): Sehr selten, nicht geschlechtsgebunden vererbt.

Einfarbensehen (Monochromasie)

Nur noch ein Zapfentyp ist funktionstüchtig. Eine Monochromasie ist sehr selten, meist handelt es sich um eine Blauzapfen-Monochromasie (geschlechtsgebunden vererbt), das heisst Grünzapfen und Rotzapfen fehlen oder sind defekt.

Totale Farbenblindheit (Achromasie, Achromatopsie)

Alle drei Zapfentypen sind ausgefallen, es ist keine Farbwahrnehmung mehr möglich. Das Sehen beschränkt sich auf die Stäbchen, das heisst nur noch Hell-Dunkel-Kontraste sind wahrnehmbar. Die Achromasie ist selten und kann angeboren oder erworben sein. Die angeborene (okuläre) Form wird nicht geschlechtsgebunden vererbt. Die erworbene Achromasie ist eine zentrale Störung, das heisst, der Verarbeitungsprozess im Gehirn ist gestört (meist aufgrund einer Verletzung oder eines Schlaganfalls), während das Zapfensystem intakt ist.

Angeborene Farbsehstörungen sind den Betroffenen oft nicht bewusst - sie kennen ihre Umgebung nicht anders. Je nach Ausprägung der Farbsinnstörung werden gewisse Farben schwächer oder gar nicht wahrgenommen und miteinander verwechselt. Am häufigsten sind die Farben Rot und Grün betroffen, man spricht von einer Rot-Grünschwäche oder Rot-Grünblindheit. Seltener sind Blau-Gelb-Störungen.

Im Extremfall einer totalen Farbenblindheit werden gar keine Farben mehr gesehen. Da die Zapfen auch für das Scharfsehen zuständig sind, ist hier zusätzlich die Sehschärfe stark vermindert (nur noch 10-15% der normalen Sehschärfe), was das Auge durch ein typisches Zittern (Nystagmus) auszugleichen versucht. Weiter besteht eine starke Blendempfindlichkeit (nur noch die lichtempfindlicheren Stäbchen stehen fürs Sehen zur Verfügung).
  • Grünschwäche: Unterscheidung von Grün und Rot erschwert. Gelb und Grün erscheinen röter.
  • Rotschwäche: Unterscheidung von Rot und Grün erschwert. Rot, Orange und Gelb erscheinen grüner.
  • Blauschwäche: Blau erscheint grüner, Gelb und Rot können schwer von Pinktönen unterschieden werden.
  • Grünblindheit: Grün wird nicht wahrgenommen und mit Rot verwechselt. Rottöne erscheinen braun-gelb, Grüntöne beige.
  • Rotblindheit: Rot wird nicht wahrgenommen und mit Grün verwechselt. Rot erscheint schwarz und orange, gelbe und grüne Töne erscheinen gelb.
  • Blaublindheit: Blau/Grün und Gelbgrün/Grau können nicht unterschieden werden. Blau erscheint grün, Gelb erscheint violett oder hellgrau.
  • Totale Farbenblindheit: keine Farben, nur Grau-Stufen. Schwachsichtigkeit, Augenzittern, hohe Lichtempfindlichkeit (Photophobie).

Zur Diagnose einer Farbenblindheit (Farbfehlsichtigkeit) stehen verschiedene Tests zur Verfügung:
  • Farbtafeln (Ishihara-Tafeln): aus farbigen Punkten zusammengesetzte Zahlen (oder Symbole für Kleinkinder) auf farbig gepunktetem Hintergrund. Farbfehlsichtige erkennen die Zahlen nicht oder falsch. Gibt einen Überblick über die mögliche Farbsehstörung.
  • Farnsworth-Test: Farbtöne müssen nach Farbabstufung geordnet werden. Zugrundeliegende Farbfehlsichtigkeit kann genau bestimmt werden.
  • Anomaloskop: Mit dem Gerät lässt sich die genaue Diagnose sowie die Ausprägung der Störung bestimmen. Dabei blickt der Patient auf eine Prüfscheibe und muss mittels Drehschrauben eine vorgegebene Farbe mischen.

Es gibt bislang keine Therapie für eine angeborene Farbsehstörungen, da bei diesen die Farbzapfen anlagebedingt fehlen oder defekt sind. Angeborene Farbsehstörungen bleiben deshalb immer gleich. An einer Gentherapie wird geforscht.

Bei erworbenen Farbsehstörungen kann die Grundkrankheit behandelt werden, so kann ein Fortschreiten unter Umständen verhindert werden.

Für Rot-Grün-Schwäche gibt es Spezialbrillen, die Betroffenen helfen sollen, die Farben besser zu unterscheiden. Diese ermöglichen aber nicht ein normales Farbsehen und sollten mit Vorsicht verwendet werden.

Bei Menschen mit Achromasie oder totaler Farbblindheit helfen stark getönte Linsen oder spezielle Brillen, die Blendung zu vermindern. Vergrösserungshilfen wie zum Beispiel Lupenbrillen wirken der geringen Sehschärfe entgegen.
Farbenblindheit oder eine Farbschwäche kann je nach Ausprägungsart zu Problemen im Alltag führen, so z.B. im Strassenverkehr bei schlechten Sichtverhältnissen oder nachts. Besonders Menschen mit Rotschwäche und Rotblindheit haben Schwierigkeiten, rote Signale zu erkennen. Das führt auch zu Einschränkungen in der Berufswahl.

Schulbücher und andere Lehrmittel, ebenso wie Druckmedien und das Internet verwenden oft Farben zur besseren Darstellung: Rot oder Grün zur Hervorhebung im schwarzen Text, grüne oder rote Buttons im Online-Shop und vieles mehr.
Für angeborene Farbenblindheit gibt es keine präventiven Massnahmen. Bei erworbenen Störungen sollten zugrundeliegende Erkrankungen rechtzeitig behandelt werden.

Wichtig ist eine rechtzeitige Erkennung der Farbsehstörung, damit die Betroffenen schon früh lernen, mit ihren Beeinträchtigungen umzugehen. 

Dr. med. Fritz Grossenbacher

Fritz Grossenbacher hat in Bern Medizin studiert. Er besitzt einen Master of Medical Education der Universitäten Bern und Chicago und ein Zertifikat in Teaching Evidence based Medicine des UK Cochrane Center in Oxford.

Doris Zumbühl

Doris Zumbühl ist diplomierte Medizinische Praxisassistentin. Sie verfügt über mehrere Weiterbildungen in den Bereichen Journalismus, IT und Bildbearbeitung.
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