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Spina bifida: Angeborenene Fehlbildung der Wirbelsäule und des Rückenmarks
Spina bifida: Angeborenene Fehlbildung der Wirbelsäule und des Rückenmarks

Unter Spina bifida (offener Rücken) versteht man eine angeborene Fehlbildung der Wirbelsäule und des Rückenmarks, die in der 3. bis 4. Schwangerschaftswoche entsteht.

Das Rückenmark und die Wirbelsäule entwickeln sich in den ersten Schwangerschaftswochen aus dem sogenannten Neuralrohr. Daher wird die Spina bifida zu den Neuralrohrdefekten gezählt. Schliesst sich dieses Neuralrohr nicht vollständig, so bleiben Wirbelkörper offen und es entsteht eine Spina bifida.

In den meisten Fällen befindet sich dieses Stück ''offener Rücken'' im Bereich der unteren Wirbelsäule.

Die Folgen des offenen Rückens beim Neugeborenen hängen vom Schweregrad der Rückenmarksschädigung ab. Diese können von leichten Gehbehinderungen bis hin zur Querschnittslähmung sowie zu geistigen und funktionellen Störungen reichen. Eine häufige, schwere Komplikation ist der Hydrocephalus (Wasserkopf). Dabei kommt es als Folge der Spina bifida zu Flüssigkeitsstau im Hirnkammer-System, mit gefährlichem Anstieg des Hirndrucks.

Im Rahmen der Pränataldiagnostik (vorgeburtlicher Ultraschall) kann eine Spina bifida entdeckt werden.

Mädchen sind häufiger von einer Spina bifida betroffen. Die auffällige Häufung in Familien zeugt von einer gewissen Vererblichkeit der Fehlentwicklung. Die Häufigkeit in der Schweiz beträgt weniger als 1 Kind auf 1000 Geburten.

Man unterscheidet zwischen der ''offenen'' und der ''geschlossenen'' Spina bifida.

  • Geschlossene Spina bifida (Spina bifida occulta): Nur die Wirbelbögen sind nicht vollständig geschlossen, Rückenmarkshäute und Rückenmark sind nicht betroffen. Die Betroffenen haben in der Regel keine Beschwerden.
  • Offene Spina bifida (Spina bifida aperta): Rückenmarkshäute mit oder ohne Teile des Rückenmarks treten aus der offenen Stelle hervor und sind als Vorwölbung unter der Haut sichtbar.
Spina bifida: Folsäuremangel der Mutter als Risiko
Spina bifida: Folsäuremangel der Mutter als Risiko

Die Ursachen für das Entstehen einer Spina bifida sind bis heute nicht gänzlich geklärt. Das gehäufte Vorkommen von Neuralrohrdefekten in Familien weist auf genetische (vererbliche) Ursachen hin. Aber auch Umweltfaktoren scheinen als Ursache für die Entstehung einer Spina bifida in Frage zu kommen. Zu solchen äusseren Einflüssen zählen:

  • Folsäure mangel oder eine Störung des Folsäurestoffwechsels während der Schwangerschaft; Folsäure gehört zu den B-Vitaminen.
  • Antiepileptika bei der Behandlung der Epilepsie während der Schwangerschaft
  • Virusinfektion der Mutter in der Frühschwangerschaft (z.B. Röteln oder Toxoplasmose)
  • Radioaktive Strahlung in der Frühschwangerschaft (Röntgen, CT)

Die offene Spaltbildung am Rücken kann mit der vorgeburtlichen Ultraschalluntersuchung festgestellt werden. Damit sind das Ausmass der Beschwerden und die Beeinträchtigungen für das Kind noch nicht geklärt.

Die Bandbreite der Einschränkungen reichen von leichten bis zu stark behindernden, funktionellen sowie geistigen Leistungseinschränkungen.

Die Beschwerden hängen davon ab, auf welcher Höhe der Wirbelsäule der Spalt liegt und welche Anteile des Rückenmarks betroffen sind. In den meisten Fällen befindet sich die Fehlbildung im unteren Bereich der Wirbelsäule (Lendenwirbelsäule und Kreuzbein), seltener im Bereich der Hals- oder Brustwirbelsäule. 

Typische Folgen sind:

  • Muskellähmungen (Paresen)
  • Verlust von Schmerz- und Berührungsempfindungen
  • Blasen- Darmlähmungen, dadurch Urininkontinenz und/oder Stuhlinkontinenz, sowie vermehrte Harnwegsinfektionen und Folgeschäden der Nieren.
  • Fehlstellungen und Deformierungen an Gelenken (z.B. Klumpfüsse, Hüftgelenksluxationen)
  • Eine offene Wirbelsäule begünstigt auch Infektionen im Hirn (z.B. Hirnhautentzündung)
  • Ca. 80% der Spina bifida-Betroffenen entwickeln einen Hydrozephalus (Wasserkopf), welcher unbehandelt zu schweren Gehirnschäden (z.B. auch Epilepsie) führen oder tödlich enden kann.
Spina bifida: Ultraschalluntersuchungen vor der Geburt
Spina bifida: Ultraschalluntersuchungen vor der Geburt

Zur Diagnose der Spina bifida werden verschiedene Untersuchungen und Abklärungen durchgeführt. Dazu gehören unter anderem:

  • Vorgeburtlicher Ultraschall: damit kann die Spaltbildung entdeckt werden.
  • Vorgeburtlicher Fruchtwassertest: Die Werte zweier bestimmter Enzyme sind bei einer offenen Spina bifida erhöht.
  • Vorgeburtliche Blutuntersuchung: mit dem sogenannten Triple-Test können ab der 16. SS-Woche 80% der Spaltbildungen der Wirbelsäule erkannt werden.
  • Das genaue Ausmass der Spaltbildung kann der Arzt erst unmittelbar nach der Geburt (sichtbare Vorwölbung am kindlichen Rücken) beurteilen.
  • Weitere Abklärungen durch: Magnetresonanztomographie, Röntgenaufnahmen, neurologische Tests

Eine Spina bifida ist nicht heilbar. Bereits bestehende neurologische Störungen können nicht rückgängig gemacht werden. Viele Betroffene sind das ganze Leben auf medizinische Betreuung und Behandlung angewiesen.

Ziel der Behandlung ist die möglichst grosse Eigenständigkeit und Mobilität des Patienten, sowie das Vermeiden von schweren Komplikationen.

Die Behandlung richtet sich nach dem Ausmass der Fehlbildung. Um die Überlebenschancen zu verbessern nehmen Neuro- und Kinderchirurgen bereits innerhalb 24-48 Stunden die ersten, zum Teil mikroskopischen Eingriffe vor. Später folgen dann orthopädisch korrigierende oder plastisch chirurgische Eingriffe.

Wasserkopf (Hydrozephalus): Mittels eines Katheters wird die Hirnflüssigkeit in das Bauchfell abgeleitet; damit werden  die Hirnkammern entlastet.

Bei Störung der Blasenentleerung besteht die Gefahr von Harnwegsinfektionen mit Folgeschäden der Nieren. Um solche Infektionen zu vermeiden, kommen Medikamente, Harnkatheter oder auch eine Operation in Betracht.

Bei Gelenkdeformierungen kommen Krankengymnastik sowie entsprechende orthopädische Hilfsmittel (Korsetts, Schienen, Spezialschuhe) zum Einsatz, die zeitlebens notwendig sein können.

Spezielle Förderprogramme helfen den Kindern, sich auf der geistigen Ebene im Rahmen ihrer Möglichkeiten weiter zu entwickeln.

Trotz orthopädisch-chirurgischen sowie plastisch-chirurgischen Behandlungen können neurologische Beeinträchtigungen und spätere Komplikationen häufig nicht vermieden werden.

Spätere Komplikationen können sein:

  • Entzündungen der Rückenmarkshäute und des Rückenmarks
  • Nierenentzündungen
  • Frühe Gelenksabnutzung (Arthrose)
  • Ein unbehandelter Wasserkopf kann zu schweren Störungen bis hin zum Tod führen.
Spina bifida: Folsäurehaltige Nahrung oder Folsäurepräparate
Spina bifida: Folsäurehaltige Nahrung oder Folsäurepräparate

Folsäure als Nahrungsergänzung wirkt zur Vorbeugung einer Spina bifida, das wurde in mehreren Studien belegt.

Frauen mit Kinderwunsch wird deshalb die Einnahme von Folsäurepräparaten für mindestens 4 Wochen vor und für die Dauer von mindestens 8 Wochen während der Schwangerschaft -empfohlen.

Frauen im gebärfähigen Alter wird bei Kinderwunsch zur Einnahme von täglich 0.4 mg Folsäure als Präventionsmittel gegen Neuralrohrdefekte geraten. Risikofrauen - Frauen mit Neuralrohrdefekten in der Familie oder nach Schwangerschaft mit einem Kind mit Spina bifida - werden 4-5 Milligramm Folsäure täglich empfohlen.

Da die Ursachen jedoch nicht gänzlich geklärt sind, gibt es keine 100%-ige Vorbeugemöglichkeit. Die vorgeburtliche Diagnose einer Spina bifida kann die Eltern vor die schwierige Entscheidung stellen, ob sie auf Grund der festgestellten Fehlbildung die Schwangerschaft abrechen wollen oder nicht. Das Ausmass der Fehlbildung und die zu erwartenden körperlichen und/ oder geistigen Behinderungen kann erst nach der Geburt beurteilt werden. Dies erschwert eine solche Entscheidung natürlich.

Dr. med. Gerhard Emrich

Gerhard Emrich hat in Wien Medizin studiert. Er ist Medizinjournalist mit langjähriger Erfahrung in medical writing.

Doris Zumbühl

Doris Zumbühl ist diplomierte Medizinische Praxisassistentin. Sie verfügt über mehrere Weiterbildungen in den Bereichen Journalismus, IT und Bildbearbeitung.
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