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Epilepsie: Krampfanfälle sind eine neurlogische Erkrankung
Epilepsie: Krampfanfälle sind eine neurlogische Erkrankung

Bei der Epilepsie handelt es sich um die häufigste chronische Krankheit des zentralen Nervensystems.

Etwa 5% der Bevölkerung erkranken im Laufe ihres Lebens an Krampfanfällen meistens nur vorübergehend. Eine aktive Epilepsie entwickeln hingegen etwa 0.6% in Europa (Weltgesundheitsorganisation). Das Risiko für eine Epilepsie ist in den ersten Lebensjahren und dann erst wieder ab dem 60. Lebensjahr erhöht. Epilepsie ist keine Erbkrankheit, es wird lediglich eine erhöhte Bereitschaft zu Anfällen vererbt (etwa bei 10% der Menschen).

Die typischen Merkmale der Epilepsie sind die immer wiederkehrenden Anfälle in Form von Krämpfen oder unwillkürlichen Bewegungsabläufen sowie Bewusstseinsstörungen. Nicht jedes Wegtreten oder alle unkontrollierten Muskelzuckungen entsprechen einem epileptischen Anfall.

Man unterscheidet zwei Anfallsformen:

  • Fokale Epilepsie: Der Anfall entsteht an einem bestimmten Ort (z. B. von einem Tumor, einer Narbe aus), kann sich aber auf das ganze Gehirn ausbreiten (generalisieren).
  • Generalisierte Epilepsie: Hier ist das ganze Gehirn betroffen, der genaue Ausgangsort ist nicht klar.

Eptileptische Anfälle ohne erkennbare Ursachen nennt man genuine oder idiopathische Epilepsien. Diese Epilepsie-Art wird vererbt.

Bei der Entstehung von epileptischen Krampfanfällen kann es sich um krankhafte Entladungen von Nervenzellgruppen oder um eine fehlende Begrenzung der gesteigerten Erregbarkeit von Nervenzellen handeln.

Folgende Faktoren können zu einer Epilepsie führen:

  • Angeborene Hirnschädigungen oder -fehlbildungen
  • Hirntraumen durch Unfälle oder Schläge auf den Kopf
  • Tumore
  • Hirnhautentzündung oder Gehirnentzündungen
  • Stoffwechselkrankheiten
  • Vergiftungen mit Alkohol, Drogen, Medikamenten, Chemikalien
  • Durchblutungsstörungen im Gehirn (z.B. nach Hirnschlag), Hirnvenenthrombosen

Folgende Faktoren können einen Krampfanfall auslösen:

  • Entzugserscheinung nach Alkohol-, Drogen-, oder Medikamentenmissbrauch
  • Schlafentzug
  • Psychische Belastungssituationen
  • Übermässige Atemtätigkeit (Hyperventilation)
  • Unterzuckerung
  • Fieber bei Kindern zwischen 6 Monaten und 4 Jahren (sogenannte Fieberkrämpfe)
  • Licht- und/oder akustische Reize
  • Erschrecken
  • Weglassen von Epilepsiemedikamenten
Epilepsie: Häufige Krampfanfälle
Epilepsie: Häufige Krampfanfälle

Die Beschwerden äussern sich je nach Form (ob fokal oder generalisiert) verschieden:

Fokale Anfälle

  • Einfache Anfälle: Das Bewusstsein bleibt während dem Muskelkrampf erhalten
  • Komplexe Anfälle: Mit Bewusstseinsstörungen
  • Fokale Anfälle mit Tendenz zur Entwicklung eines generalisierten Anfalls

Generalisierte Anfälle

Die generalisierten Anfälle werden in verschiedene Formen eingeteilt:

  • Absenzen (Petit Mal) - Kurze Bewusstseinstörung (Absenz), wobei der Patient lediglich in der Tätigkeit erstarrt und nach 5-20 Sek. wieder weitermacht, als ob nichts gewesen wäre; Augen- und Mundzuckungen, schnelle Kau- oder Schluckbewegungen. Solche Absenzen können bis zu 100 mal im Tag auftreten. Erwachsene erkranken seltener daran als Kinder
  • Myoklonische Anfälle Merkmal: Plötzlich auftretende, kurze, beidseitige Muskelzuckungen
  • Klonische Anfälle Merkmal: Muskelzuckungen
  • Tonische Anfälle - Merkmal: Muskelkrämpfe
  • Atonische (astatische) Anfälle Merkmal: plötzliches Zusammenfallen der Muskelspannung, kurze Bewusstlosigkeit

Wie oben beschrieben ist bei den generalisierten Anfällen das ganze Gehirn beteiligt.

Symptome sind:

  • Bewusstlosigkeit während des ganzen Krampfanfalles
  • Vorausgehende Bewusstseinsstörung (der Patient merkt nicht, dass sich ein Anfall anbahnt)
  • Muskelkrämpfe treten immer beidseitig auf.

Tonisch-Klonische Anfälle (Grand Mal)

Tonische Phase

Das ist die häufigste Art der generalisierten Anfälle; sie kann jederzeit und überall auftreten.

  • Typisch ist das plötzliche Auftreten ohne Vorwarnung
  • Der Patient wird sofort bewusstlos, die Bewusstlosigkeit zieht sich über den ganzen Anfall hinweg
  • Der Patient verletzt sich beim Sturz häufig
  • Arme, Beine und Rumpf versteifen sich
  • Augenverdrehungen
  • Das Gesicht ist verzerrt
  • Atemaussetzer, wobei der Patient blaurot anlaufen kann
  • Ein Kieferkrampf kann zu Bisswunden an der Zunge, Backen oder Lippen führen

Nach 10 bis 30 Sekunden setzt die klonische Phase (Dauer ca. 1-2 Min.) ein:

  • Heftige Zuckungen der Arme, Beine, Rumpf und Gesicht.
  • Gesteigerter Speichefluss (der Patient hat Schaum vor dem Mund).

Nach dem Anfall (postiktal ) tauchen die Patienten aus der Bewusstlosigkeit auf, sind orientierungslos und sollten in keinem Fall alleingelassen werden.

Kleinkinder erbrechen oft. Patienten klagen häufig über Kopfschmerzen und/oder schweren Muskelkater.

Der Anfall dauert ca. 2 Minuten, die postikale Phase ca. eine halbe Stunde.

Status epilepticus (Notfall)

Beim Status epilepticus treten die epileptischen Anfälle in so kurzen Abständen auf, dass sich der Betroffene zwischendurch nicht mehr erholen kann. Ca. 10% der Epilepsie-Kranken erleben irgendwann einen Status epilepticus. Ein Status epilepticus kann in jedem Alter vorkommen; bei manchen Epilepsieformen tritt er häufiger auf als bei andern.

Zur Diagnose einer Epilepsie werden verschiedene Untersuchungen und Abklärungen durchgeführt. Dazu gehören unter anderem:

  • Krankengeschichte unter Einbezug der Beschwerden; wichtig sind Angaben von Drittpersonen, die z.B. einen Krampfanfall beim Betroffenen beobachtet haben
  • Methoden zur diagnostischen Anfallprovokation: z.B. Schlafentzug, Flackerlichtstimulation
  • EEG (Messung der Hirnströme)
  • EEG mit Videoüberwachung
  • Computertomographie
  • Kernspintomographie
  • Angiographie (Gefässuntersuchung mit Kontrastmittel)
  • Laboruntersuchungen zum Ausschluss einer Unterzuckerung, Unterfunktion der Schilddrüse und andern Stoffwechselerkrankungen
Epilepsie: Medikamentöse Anfallprophylaxe
Epilepsie: Medikamentöse Anfallprophylaxe

Ziele einer antiepileptischen Behandlung:

  • Verhinderung von Langzeitschäden
  • Normalisierung des Alltags
  • Erhaltung der Arbeitsfähigkeit
  • Vermeiden von Unfällen und Verletzungen
  • Ausräumen von Ungewissheiten des Patienten
  • Verhindern der sozialen Ausgliederung des Patienten

Anfallsprophylaxe

Die medikamentöse Behandlung soll zur Anfallsverminderung und bestenfalls zur Anfallsfreiheit führen.

Die Wahl der Medikamente (Antileptika) richtet sich nach der Art der Epilepsie und den Begleiterkrankungen der Patienten. Der therapeutische Erfolg zeigt sich in der Anfallsfrequenz. Dafür sind bei einigen Medikamenten regelmässige Blutspiegelkontrollen notwendig.

Operation

Je nach Epilepsie und fehlendem Ansprechen auf die Therapie kann ein chirurgischer Eingriff in Betracht gezogen werden (Epilepsiechirurgie).

Ergänzende Behandlungsmöglichkeiten

  • Biofeedback-Training
  • Psychotherapie
  • Verhaltenstherapie, dazu gehört auch das Kennenlernen der Anfallsauslöser

Ergänzende Massnahmen

  • Anpassen des Arbeitsplatzes, ev. Umschulung
  • Anpassen des Wohn-Mobiliars
  • Helmtragen beim Radfahren
  • Suche der geeigneten Sportart - Sportliche Aktivität verhindert die Vereinsamung

Notfallmassnahmen (Erste Hilfe)

Massnahmen bei einem akuten Anfall auf der Strasse

  • In der Regel genügt es, wenn der Betroffene gesichert wird, das heisst, aus einer möglichen Gefahrenzone (z.B. Strasse) entfernt wird (ev. auf die Seite lagern, nicht festhalten, da erhöhte Verletzungsgefahr)
  • Bei bekanntem Epilepsieleiden ev. Notfallmedikation (z.B. Valiumzäpfchen)
  • Hilfe anfordern (Tel. Nr. 144)
  • Betroffenen nicht allein lassen

Unter medikamentöser Behandlung werden viele Betroffene anfallsfrei und können ein normales Leben führen.

Langzeitschäden

Grand-Mal-Anfälle kann das Gehirn lange Zeit kompensieren. Später kann es zu folgenden Defiziten kommen:

  • Aufmerksamkeitsstörungen und Konzentrationsstörungen
  • Lernstörungen
  • Auffälligkeitsstörungen (wie z.B. sich Auskleiden, Weglaufen, Grimassenschneiden)
  • Erhöhte Verletzungsgefahr
  • Gewisse Berufe kann der Epileptiker nicht ausüben, bei neu aufgetretener Epilepsie ist dann ein Berufswechsel erforderlich, z.B. bei Kranführern, Dach- oder Gerüstarbeitern

Epilepsie und Schwangerschaft

Auch Frauen, welche unter Epilepsie leiden, können Kinder bekommen. Jedoch müssen beide Partner den Kinderwunsch mit dem behandelnden Arzt besprechen und die medikamentöse Behandlung muss in die Planung einbezogen werden.

Die medikamentöse Behandlung muss strikt befolgt werden. Ausserdem sollten anfallsauslösende Faktoren vermieden werden z.B: eine Unterzuckerung, extreme Reizung der Seh- und Gehörsinne, psychische und physische Stresssituationen, Alkohol, Drogen, Medikamente, Schlafentzug (zu wenig Schlaf) etc.

Autofahren und Epilepsie

  • Epilepsie und Lastwagen/Busfahren schliesst sich aus
  • Epilepsie und PKW: Wenn unter Antieptileptika 1 Jahr anfallsfrei, dann kann wieder gefahren werden
  • Nach erstem Anfall: 3-monatiges Fahrverbot

Dr. med. Gerhard Emrich

Gerhard Emrich hat in Wien Medizin studiert. Er ist Medizinjournalist mit langjähriger Erfahrung in medical writing.

Dr. med. Daniel Desalmand

Daniel Desalmand hatte in Bern Medizin studiert. Nach dem Studium hatte er mehrjährige klinische Erfahrung in Chirurgie und Innerer Medizin erworben bevor er sich dem Wissenschaftsjournalismus zugewandt hatte.

Doris Zumbühl

Doris Zumbühl ist diplomierte Medizinische Praxisassistentin. Sie verfügt über mehrere Weiterbildungen in den Bereichen Journalismus, IT und Bildbearbeitung.
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